Enterprise 2.0

"Wir müssen eine Menge lernen"

Karlsruhe/Leverkusen, Januar 2012 - Inwiefern können Web 2.0-Anwendungen einem Unternehmen nutzen? Wann profitiert der einzelne Mitarbeiter? Diesen Fragen geht Ellen Trude, Expertin von Bayer Business Services für Social Media-Trainings und Kompetenzentwicklung in ihrem Vortrag beim Kongress der LEARNTEC nach. Ihr Thema lautet "Enterprise 2.0 - mehr als Wikis und Blogs". Trude hat Angebote entwickelt, die Mitarbeiter von Bayer an netzbasierte Formen des kollaborativen Arbeitens heranführen.




Was versteckt sich hinter dem Titel Ihres Vortrages?

Ellen Trude: Die Sichtweise auf Web 2.0-Anwendungen und Social Media ist nach wie vor oft begrenzt. Die meisten denken an Wikis oder Blogs. Aber es reicht nicht, für das Gelingen eines Projekts mal eben ein Wiki aufzusetzen. Es wäre auch nicht sinnvoll, wenn ein Geschäftsführer bloggen würde, obwohl er nichts zu sagen hat. Man muss sich immer fragen, was ein Tool überhaupt leisten kann. Und zuallererst: Was ist unser Ziel - im Sinne des Unternehmens und im Sinne des Mitarbeiters? Statt also für ein Projekt ein Wiki zu starten, ist eine Real-Time-Umgebung und Microblogging möglicherweise viel sinnvoller.

Social Media gilt für viele Menschen als Synonym für Facebook und Twitter. Wie lassen sich erste Social-Media-Erfahrungen umswitchen und ausbauen für Unternehmensbelange?

Ellen Trude: Wenn mir jemand im Brustton der Überzeugung erzählt, er würde privat kaum noch Mails schreiben, sondern fast nur noch über Facebook kommunizieren, dann ist aus meiner Sicht noch nicht viel gewonnen. Da hat sich nur das Transportmittel geändert, um etwas mitzuteilen. Enterprise 2.0 bedeutet, Wissensmanagement mit dem Wunsch und den Möglichkeiten, Wissen zu teilen, zu kombinieren. Dann wird eine gute Sache für das Unternehmen daraus. Wenn ich an einer Sache arbeite, dazu einen Post schreibe und das sieht irgendein Kollege aus dem Konzern, egal ob er in Uerdingen oder Asien arbeitet, und hilft mir weiter - das ist für mich wirkliches Enterprise 2.0.

Was bedeutet dies aus Sicht der erfahrenen Weiterbildungsexpertin?

Ellen Trude: Dass sich Kompetenzen verändern beziehungsweise erweitern müssen. Grundsätzlich war es auch in der Vergangenheit so, dass sehr viel Wissen in den Unternehmen vorhanden war. Wer jedoch darauf zurückgreifen wollte, wusste nicht unbedingt, wo es sich befand. Die Suche mit den bis dahin vorhandenen Werkzeugen war umständlich und zeitraubend. Hier kann Social Media echten Mehrwert stiften.

Aber dafür müssen wir eine Menge lernen, wie beispielsweise korrektes Tagging, damit wir die richtigen Experten innerhalb des Unternehmens finden, oder auch, wie wir RSS sinnvoll nutzen. Überhaupt sollten wir Tools auf die Frage hin bewerten können, welches uns für unsere jeweilige Aufgabe am besten hilft.

Gibt es da nicht auch eine Generationenkluft innerhalb der Belegschaft?

Ellen Trude: Es ist viel von Digital Natives die Rede. Aber wenn man damit eine Generation meint, die leichter mit Smartphones und Computern umgeht, dann bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass dadurch bessere Arbeitsergebnisse zustande kommen. Oder dass eine Vernetzung in betrieblichen Kontexten stattfindet. Leider wird die Fähigkeit, Wissen zu tauschen und zu teilen, auch von Schulen und Hochschulen bisher nur unzureichend gefördert. In Bezug auf neue Formen der Zusammenarbeit in Unternehmen stehen daher aus meiner Sicht die Mitarbeiter gleichsam alle noch ziemlich am Anfang.

Was ist der Benefit, wenn Enterprise 2.0 tatsächlich gelebt wird?

Ellen Trude: Es gibt sehr viele Vorteile, bezogen auf den einzelnen und auf das Unternehmen. Der Mitarbeiter kommt mit seiner Aufgabe schneller voran. Weil er sich mit anderen austauscht, ist das Ergebnis stabiler, auch weil Fehler vermieden werden können. Er fühlt sich als Teil einer Gemeinschaft. Das erzeugt regelrechte Motivationsschübe. Das Unternehmen wiederum profitiert, weil Doppelarbeiten vermieden werden.

Das spart Zeit und Geld. Man denke nur an das hierarchische Prinzip, Informationen per E-Mail über viele Ebenen von oben nach unten weiter zu verteilen. Erstens dauert das ziemlich lange, dazu ist es teuer. Hat diese E-Mail nämlich noch einen Anhang, werden unsere Server durch die Weiterleitung und die damit verbundene Vervielfältigung der Datenmengen unnötig belastet.

Es gibt heute dank Web 2.0-Tools und sozialen Medien effizientere und schnellere Formen, Wissen hierarchieübergreifend zu teilen. Allerdings setzt dies auch ein Umdenken und eine Erweiterung der Medienkompetenz voraus.

Was tun Sie, um Mitarbeitern die Chancen von Enterprise 2.0 aufzuzeigen?

Ellen Trude: Es gibt ein Fortbildungsangebot, das heißt "Enjoy Social Media": Es besteht aus verschiedenen Modulen und beginnt mit einer virtuellen Startsession. Dort stellen sich die Teilnehmer, die sich bis dahin überhaupt nicht kannten, einander vor. Dann bekommen sie konkrete Aufgaben, für die sie sich ins Internet begeben müssen und dort zum Beispiel ausloten, wie sich das Geschehen im Social Web in Realtime beobachten lässt.


Oder sie sollen ausprobieren, sich in einem sozialen Netzwerk anzumelden und sich auszutauschen. Kommunikation in Echtzeit erleben, über all dies in einem persönlichen Blog zu reflektieren - das stellt oft eine komplett neue Erfahrung dar. Dabei sind die Teilnehmer nicht auf sich allein gestellt. Sie haben als Ansprechpartner zwei Lernbegleiter zur Seite. Der Unterschied zu einem Präsenztraining ist, dass jeweils die ganze Gruppe Feedback gibt, Tipps schickt und Kommentare. Das sind gelebte Community und praktische Anwendungserfahrung in Einem.

Wie holt man denn den einzelnen ab? Die Vorkenntnisse sind doch bestimmt unterschiedlich...

Ellen Trude: Jeder durchläuft vor Beginn ein Selbstassessment. Das gibt ihm und uns wichtige Hinweise, wie viel er zu diesem Zeitpunkt über Social Media weiß und ob bestimmte Kompetenzen schon vorhanden sind. Aber wir haben noch zwei weitere Online-Veranstaltungsreihen. Die kürzere heißt "Kurz und kompakt". Sie dauert nur eine Stunde und hat eigentlich mehr Vortragscharakter. Dabei erfährt der Zuhörer kurz und knapp alles Wesentliche beispielsweise über soziale Netzwerke oder Microblogging.


Unser dreistündiges Angebot "How to" geht schon ein Stück weiter. Hierfür werden vorab auf einer Wiki-Seite Wünsche, Anforderungen und Probleme gesammelt. Entsprechend kann sich der Trainer vorbereiten und die Teilnehmenden mit gezielten Übungen ins Social Web schicken. Am Ende weiß der Teilnehmer, nach welchen Kriterien er das für seine Aufgabe adäquate Tool auswählt und welche Regeln er beachten sollte, wenn er sich beispielsweise in internen und externen sozialen Netzwerken darstellt und einbringt. Unser Ziel ist ja nicht allein, Kompetenzen auszubauen, sondern vor allem die Mitarbeiter zu befähigen, die Vorteile und Stärken der für sie richtigen Web 2.0-Tools in der täglichen Arbeit sinnvoll und gewinnbringend einzusetzen.



Besuchen Sie den Vortrag von Ellen Trude im Rahmen des LEARNTEC Kongresses, Sektion "Management 1" am 31. Januar 2012 um 11 Uhr im Raum K4/5 auf der Konferenzebene.