HealthCare plus

Gesundheitsmanagement 2.0 in Unternehmen

Stuttgart/Köln, März 2012 - (von Prem Lata Gupta) Ich sehe viel Natur und einen zufriedenen Bergwanderer. Höre muntere O-Töne nach dem Motto "Ich laufe jeden Tag eine Stunde." Ich lerne, dass 91 Prozent der Menschen während des Essens fernsehen und 35 Prozent ihren Hunger am Schreibtisch stillen. Beim Selbsttest soll ich per Schieberegler einschätzen, ob ich schnell oder langsam esse, kleine oder große Portionen. "Vitalität gewinnen" heißt dieses Modul aus der neuen WBT-Reihe HealthCare plus, das ich gerade teste. Andere Bausteine nennen sich "Balance halten", "Klug mit einander umgehen" und "Klar orientieren, gesund führen". Die Know How AG hat das innovative Angebot gemeinsam mit Klaus Kampmann und Thomas Staehelin, beide Geschäftsführer der Firma Flow_Zone, entwickelt.




In der von Ihnen beschriebenen Flow Zone soll man körperlich sowie geistig-emotional in der Lage sein, ohne große Anstrengung Höchstleistungen zu vollbringen. Wann befinden wir uns denn in diesem paradiesischem Zustand?

Klaus Kampmann: Es passiert öfter als es uns selbst bewusst ist. Wir alle kennen Flow-Zustände. Damit ist Selbstvergessenheit gemeint, die wir erleben, wenn wir uns mit etwas beschäftigen und nicht merken, wie die Zeit vergeht. Kinder vergessen alles um sich herum, wenn sie etwa mit Lego spielen. Aber auch im Arbeitsleben, wenn ein Angebot verfasst werden muss, oder ein neues Projekt geplant wird, ist solch ein Zustand denkbar: Wenn wir uns ganz viel Mühe geben, ganz intensiv bei der Sache sind, und von der positiven Überzeugung beseelt, wirklich eine unschlagbare Offerte zu machen.

HealthCare Plus wurde entwickelt, weil Gesundheitsmanagement in den Unternehmen immer stärker in den Fokus rückt, weil Stress und psycho-soziale Belastungen zu immer mehr Krankmeldungen führen. Noch nie war so viel über Burnout zu lesen wie in jüngster Zeit. Haben wir es mit einem Modethema zu tun oder einem echten Problem?

Thomas Staehelin: Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen 20 Jahren stark beschleunigt, die Anforderungen sind inzwischen hoch verdichtet. Da kommt der Mensch als evolutionäres Wesen nicht so schnell hinterher. Multitasking, Zukunftsangst, es gibt viele Faktoren. Auffallend ist: Vor 20 Jahren war der Begriff Burnout weitgehend unbekannt, vor zehn Jahren wurde mit dem Finger auf Betroffene gezeigt, heute geht man offener mit dem Thema um. Was mich allerdings an vielen Veröffentlichungen stört ist die Tatsache, dass sie selten Lösungswege aufzeigen.

Meist werden Menschen porträtiert, die total zusammengebrochen sind. Oder die als Konsequenz ihren Job aufgegeben und sich völlig umorientiert haben...

Klaus Kampmann: Das kann nicht die Lösung für die Mehrheit sein. Außerdem lässt sich vorbeugen, durch Information, indem man gezielt über sein Verhalten reflektiert und indem man den aktuellen Zustand durch kleine Schritte verändert. Unser Ansatz basiert nicht auf einer revolutionären Erfindung oder setzt auf weltbewegende Maßnahmen, die den ganzen Betrieb umkrempeln sollen.

Ist Gesundheitsmanagement denn überhaupt ein gewichtiger Faktor in Deutschland?

Thomas Staehelin: Doch, die meisten größeren Unternehmen in Deutschland befassen sich mit dem Thema. International stehen wir - im Vergleich zu anderen Ländern - gar nicht schlecht da. Skandinavien ist wahrscheinlich etwas weiter. Allerdings, das ist eine deutsche Spezialität, wird die Thematik mit sehr typisch hoher Gründlichkeit aufgefasst. Mit neuen Fachabteilungen, die gegründet werden. Mit sehr komplexen Instrumenten und Modellen, die dem Gesundheitsmanagement dienen sollen.

Und das ist nicht gut?

Thomas Staehelin: Die Linienmanager werden damit in den Wahnsinn getrieben. Die tragen zwar Personalverantwortung, aber haben immer auch ihre Ziele und das operative Geschäft vor Augen. Nicht die extra gegründete Fachabteilung, sondern die Linienmanager sind unsere Adressaten. Wir setzen auf einfache, nachvollziehbare Maßnahmen, schnell anzuwenden wie ein Plug-in. Also keine abgehobenen Gedankenkonstrukte, sondern konkrete Veränderungen. Alles soll simpel und verstehbar sein. Dies gilt für alle Zielgruppen der WBT-Reihe: Mitarbeiter, Teams und Führungskräfte.

Warum überhaupt ein WBT? Mit WBTs wird Technologie assoziiert, jedenfalls nicht Gesundheit, oder?

Thomas Staehelin: Trotzdem kann es der Gesundheit dienlich sein. Für ein WBT sprechen mehrere Gründe:

  1. lässt sich niemand gerne von seinem Chef ansprechen nach dem Motto "Sie sehen aber müde aus". Besser ist es, anonym und allein herauszufinden, was bei einem persönlich schief läuft;
  2. ist ein WBT in vielen Unternehmen ein vertrautes Medium, mit dem bereits gelernt wurde;
  3. ist es demokratisch, wenn alle sozusagen zwangsverpflichtet werden, sich ein Modul über innere Balance oder Stress im Team durchzuarbeiten. Und es wird jeder erreicht. Niemand kann sich ausklinken, weil er meint, dieses Thema ginge ihn nichts an.

Was ist aber so toll daran, wenn jeder nur für sich herausfindet, dass sein Team wohl nicht optimal funktioniert?

Thomas Staehelin: Wenn alle das WBT bearbeiten, dann ist es kein Tabu, auch über die Inhalte zu sprechen und einen Bezug zur gemeinsam erlebten Wirklichkeit herzustellen. So zu lernen ist keine einsame Angelegenheit, weil Dialoge unter Kollegen angestoßen und Mikro-Veränderungen in Gang gesetzt werden.


Außerdem beinhalten die WBTs auch Aufgaben, die man live, also offline und miteinander absolviert. Zum Beispiel indem man experimentiert, was dies für die Gruppe bedeutet, wenn jemand konsequent den Miesepeter spielt. So wird der Austausch und der Lerneffekt forciert. Dazu kommen flankierende Maßnahmen wie etwa Vorträge oder ein kleines Booklet - je nachdem was ein Unternehmen sich als Kunde wünscht.

Auffällig ist ja, dass Sie sowohl bei den Informationen wie auch bei den Aufgaben vieles ins Positive drehen. Bei Ihnen wird nicht mit Herz-/Kreislauferkrankungen bei falscher Ernährung gedroht. Reicht dies, um genügend Dringlichkeit und Veränderungswillen zu erzeugen?

Klaus Kampmann: Wir setzen auf kontinuierliche Verhaltensänderungen. Und das darf nicht zu schwierig sein. Natürlich kann man die Latte höher hängen, aber dann bleibt es oft nur bei ein, zwei Versuchen. Neue Gewohnheiten bilden sich erst nach einigen Wochen. Darum setzen wir auf Positivbeispiele wie "Wer täglich eine Cola zum Mittagessen getrunken hat und diese eintauscht gegen ein Glas Wasser, nimmt übers Jahr mehrere Kilo ab". Kleine Schritte haben höhere Erfolgsaussichten. Wer Erfolgserlebnisse hat, der sagt: "Da glaube ich dran." Und was noch wichtiger ist: "Ich glaube an mich selbst".


P.S. Auch ich will meine Vitalität steigern: Ich habe mir vorgenommen, ab sofort bis zum 5. Stock auf einen Aufzug zu verzichten und stattdessen Treppen zu steigen. Und eine witzige Idee werde ich aufgreifen, nämlich einen Monat lang täglich meine Mahlzeiten zu fotografieren. Mal sehen, wo die fünf Kilo zuviel eigentlich herkommen...